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Buchkritik: 'Von der Mafia lernen'

Mörder als Management-Vorbilder?

Das Konzept 'Lernen von Vorbildern' ist beliebt bei Management-Buchautoren. Unter den Leitfiguren waren stets auch solche mit zwar brillanten Eigenschaften, aber zweifelhafter Gesamtperformance. Man denke an Napoleon oder Hannibal. Nun aber hat der Redline Verlag ein Buch veröffentlicht, in dem ein Ex-Mafioso Führungskräften die Mafia als Managementvorbild präsentiert. Das geht dann doch zu weit.

'Das muss ein Scherz sein, oder?' – Das war die erste Reaktion angesichts der Pressemitteilung, die der Redaktion vor ein paar Wochen auf den Schreibtisch flatterte. Der Redline Verlag warb darin für ein neues Buch, Titel: 'Von der Mafia lernen. Die Management-Geheimnisse der ehrenwerten Gesellschaft', aus der Feder von Ex-Mafioso Louis Ferrante. Tage später, als das Buch da war, war klar: Das ist kein Scherz.

Nun ist der Rezipient von zeitgenössischer Management-Ratgeberliteratur einiges an schrägen Vergleichen gewöhnt. Immerhin sollte er sich nach Ansicht diverser Autoren schon von Odysseus, Hannibal und Napoleon inspirieren lassen. Die Autoren haben ja auch recht: In bestimmten Bereichen sind die als Vorbilder aufgeführten Figuren zugegebenermaßen brillant gewesen. Bei der langfristigen Gesamtperformance und den Risiken und Nebenwirkungen (Stichwort: Nachhaltigkeit!) sieht es zwar meist anders aus, doch – geschenkt. Dennoch hat das mit dem Lernen von der Mafia einen sehr viel übleren Beigeschmack, ist die Mafia doch eine Organisation, deren gesamtes Wirken von vornherein auf Verbrechen und Gewalt aufgebaut ist. Auf diesen Kern geht alles zurück, auch der von Ferrante stets im Tonfall der Bewunderung gelobte Geschäftssinn, den er seinen Lesern ans Herz legt.

In einer der 88 Lektionen des Buchs – 'Wie man aus Scheiße Gold macht: Chancen wittern' – schreibt er etwa: 'Sehen Sie sich in Ihrem derzeitigen Geschäftsumfeld nach gewinnträchtigen Nischen um – nach Jobs, die andere naserümpfend ablehnen; nach Märkten, die andere links liegen lassen; Chancen gibt es überall.' Als Exempel führt er die Müll-Mafia ins Feld. Ausgerechnet. Wer um die Machenschaften der italienischen Mafia im Müllgeschäft und die Folgen für Umwelt und Gesellschaft weiß, den gruselt es angesichts von bewunderungsschwangeren Bemerkungen wie 'Zahllose Mafiosi (...) haben viele Milliarden Dollar mit der Abfallentsorgung verdient' – auch wenn Ferrante hier die US-Mafia meint. In Lektion 43 soll man lernen, Vertrauensbildung zu betreiben. Aufgehängt wird das daran, dass die Mafiosi ihre Söhne schon früh ins Geschäft einführen und ihnen Verantwortung übertragen – z.B. in Verhandlungen, aber eben auch, wenn es darum geht, jemanden zu töten.

Ferrante schwor während seiner zehnjährigen Haft der Mafia ab, hielt aber dennoch am Mafia-Kodex fest und verpfiff deshalb keinen Ex-Kumpan. Der Tenor seines Buches ist denn auch betont abgeklärt: Klar seien die Mafiosi Verbrecher, aber sie seien eben auch tolle Geschäftsleute, von denen sich viel abschauen lässt. Das, was sich da abschauen lässt, hat man allerdings auch an anderer Stelle schon zigfach gelesen. Etwa, dass Flexibilität, Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit, Vertrauensbildung, Krisenmanagement, Nein sagen können, Körpersprache, Mitarbeitern Freiräume lassen usw. wichtig sind. Muss man sich das daher ausgerechnet am Exempel von Mördern nochmals vor Augen führen lassen?

Natürlich ist es spannend, von einem Insider in die gruselige Welt der Mafia entführt zu werden. Insofern ist das Buch wirklich lesenswert. Aber darauf Managementlehren aufsetzen? Das riecht arg nach Marketing-Kalkül. Tatsächlich spielt Ferrante offenkundig genussvoll mit der voyeuristischen Lust des Lesers, in verbrecherische Sphären zu lugen. Die Effekthascherei fängt schon bei seiner oft vulgären Ausdrucksweise an. Nicht falsch verstehen: Damit ließe sich leben – würde sich der Autor nicht schon im Voraus selbst kokett für seine Kraftausdrücke entschuldigen.

Hier und da gibt es auch markige aufs Nicht-Mafia-Business gemünzte Sätze wie: 'In der gnadenlosen Geschäftswelt ist schnelles und entschlossenes Handeln gefragt. Entledigen Sie sich dabei Ihrer Wettbewerber.' Dass auch im 'normalen' Business vieles knallhart abläuft und bei Weitem nicht ethisch einwandfrei und fair, hat Ferrante nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis bemerkt. Leider eine zutreffende Beobachtung. Aber es klingt so, als sei der Ex-Mafioso eher beruhigt als beunruhigt, dass sein neues Biotop gar nicht mal so anders gestrickt ist als das alte.

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