News

Arbeitskultur im Topmanagement

Verwaiste Vorstandsbüros

Von wegen 'die Einsamkeit der Mächtigen': Dass Topexecutives ihre Arbeitstage keineswegs abgeschottet und vom Vorzimmer-Faktotum bewacht in ihren Büros verbringen, belegt eine an der Handelshochschule Leipzig veröffentlichte Doktorarbeit. In seiner Studie 'The Nature of Executive Work' ist Emilio E. Matthaei der Frage nachgegangen, was Topmanager aus Konzernen den Tag über tun. Und am Abend. Und am Wochenende. Der Doktorand reihte sich damit in eine Liste von Forschern ein, die sich – meist durch Beobachtung und in Interviews – in den vergangenen Jahrzehnten auf die Spuren der Executive-Aktivität begeben hatten, allen voran Henry Mintzberg. Matthaei bediente sich mehrerer Methoden, um ein möglichst umfängliches Tätigkeitsprofil der Bosse aufstellen zu können: Er wertete über vier Wochen hinweg die elektronischen Kalender von zwölf Managern aus, besprach die daraus extrahierten Daten mit den Assistenten der Führungskräfte und ihnen selbst und führte außerdem qualitative, offene Interviews durch. Ergebnis: Gegenüber älteren Erhebungen rackern die Manager in Matthaeis Sample im Schnitt länger, nämlich ganze 65 Stunden pro Woche, wobei die Bandbreite von 53 bis 76 Stunden reicht. Große Spielräume haben die Wirtschaftsgranden dabei nicht: Rund drei Viertel ihrer Zeit sind fest verplant. Keiner der Manager hat weniger als hundert geplante Aktivitäten in seinem Kalender stehen.

Auffällig ist, dass die Manager nur rund vierzehn Prozent ihrer Zeit allein arbeitend verbringen. Ansonsten sind sie ständig in Kontakt mit anderen, wobei in mehr als 60 Prozent der Fälle zwei und mehr andere Personen in die Situation involviert sind. Allein in Meetings verbringen die Topmanager – wenig überraschend – über 64 Prozent ihrer verplanten Zeit. Telefonate dagegen halten sie meist eher kurz. Deshalb trifft man die Bosse auch selten in ihren Räumlichkeiten an. Viel häufiger sind sie im Unternehmen unterwegs oder (etwas seltener) auf Geschäftsreisen.

Doch gleichgültig, ob die Firmenchefs ihr 'Management by Walking' innerhalb oder jenseits der Firmenflure ausüben, egal, ob sie sich mit Vorstandskollegen oder untergeordneten Mitarbeitern oder mit Geschäftspartnern oder Kunden treffen: Es geht bei all diesen Treffen keineswegs nur um die Inhalte, etwa: Vorhaben planen und organisieren, finanzielle und rechtliche Belange klären, Marketing- und Sales-Strategien erarbeiten und Personalfragen klären. Es geht vielmehr v.a. darum, Nähe und Vertrauen herzustellen und zu erhalten. Diese beiden Faktoren sind – so erklärten die Befragten in den qualitativen Interviews – in den hochkomplexen dezentralisierten Organisationen der heutigen Zeit wichtigere Ressourcen denn je. Als Vertrauensperson und Vermittler sind die Führungskräfte nach den Erkenntnissen Matthaeis vielfach auch 'Coachs', die dafür sorgen, dass personelle Netz-werke zusammenfinden und so zusammenwirken können, dass sie gemeinsam sinnvolle Entscheidungen zustande bringen. Denn nicht mal dieser Führungsmythos lässt sich der Analyse zufolge aufrechterhalten: dass Topmanager nämlich Alleinentscheider seien.

Die Dissertation ist kürzlich als Buch erschienen: Emilio Matthaei: The Nature of Executive Work. Gabler, Wiesbaden 2010, 49,95 Euro.
Wir setzen mit Ihrer Einwilligung Analyse-Cookies ein, um unsere Werbung auszurichten und Ihre Zufriedenheit bei der Nutzung unserer Webseite zu verbessern. Bei dem eingesetzten Dienstleister kann es auch zu einer Datenübermittlung in die USA kommen. Ihre Einwilligung bezieht sich auch auf die Erlaubnis, diese Datenübermittlungen vorzunehmen.

Wenn Sie mit dem Einsatz dieser Cookies einverstanden sind, klicken Sie bitte auf Akzeptieren. Weitere Informationen zur Datenverarbeitung und den damit verbundenen Risiken finden Sie hier.
Akzeptieren Nicht akzeptieren
nach oben Nach oben