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Antidiskriminierung: Neuer Gesetzentwurf mit wenigen Änderungen

Anfang Mai 2006 war es so weit: Die Regierungskoalition einigte sich auf einen neuen Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes, das vier EU-Richtlinien in nationales Recht transferieren soll. Das Gesetz heißt jetzt Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Abgesehen vom Namen hat sich jedoch nicht viel geändert - monieren jedenfalls die Kritiker. Für Personaler hält der Entwurf aber durchaus Positives bereit.

Seit Anfang Mai 2006 geht in Deutschland ein 'Monstrum' um, das Unternehmer, Unionspolitiker und Liberale schockt. Dramatisch als 'Monstrum' betitelte jedenfalls Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff den Entwurf für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, auf den sich der Koalitionsausschuss von SPD und Union am 1. Mai unter Federführung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries geeinigt hatte und der am 10. Mai die Zustimmung des Bundeskabinetts gefunden hatte.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist - mit einigen (und aus der Sicht der Kritiker zu wenigen) Abstrichen - das, was vor der Regierungsneubildung im Herbst vergangenen Jahres bereits unter dem Namen 'Antidiskriminierungsgesetz' für Querelen gesorgt hat. Zur Erinnerung: Mit dem Gesetzentwurf sollen vier EU-Richtlinien, die vor Ungleichbehandlung im Alltags- aber auch Berufsleben schützen sollen, in nationales Recht überführt werden. Zum Teil sollte das längst geschehen sein, so dass Deutschland nach einer Klage der EU bereits empfindliche Bußgeldzahlungen ins Haus stehen. Daher hofft die Bundesregierung, den Entwurf am 1. August 2006, vor der Sommerpause, zu verabschieden. Doch bis dahin ist es noch ein steiniger Weg über Bundestag und Bundesrat, der Einspruch gegen das Gesetz erheben kann.

Zurzeit stehen tatsächlich alle Zeichen auf Sturm. Während Partei- und Fraktionsspitze der Union hinter dem Entwurf stehen, melden neben Niedersachsen auch andere unionsgeführte Bundesländer Bedenken an - flankiert von der Wirtschaft. Des Unmuts Ursache: Das Gesetz setzt die EU-Richtlinien immer noch nicht 1:1 um. Was den Kritikern daran besonders missfällt: Im zivilrechtlichen Teil berücksichtigt das deutsche Gesetz immer noch mehr Diskriminierungsmerkmale als EU-seitig gefordert: nämlich auch sexuelle Orientierung, Religionszugehörigkeit, Alter und Behinderung neben - wie von Brüssel gefordert - ethnischer Zugehörigkeit, 'Rasse' und Geschlecht. Die Wirtschaftsverbände wie der BDI werten das als 'schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit', der deutschen Unternehmen Wettbewerbsnachteile bringe.

Neuerung: Betriebe müssen Dokumente nur drei Monate horten

Neben dem zivilrechtlichen Teil des AGG steht - nach wie vor - auch der arbeitsrechtliche im Fadenkreuz. Allerdings finden die Kritiker hier weniger Ansatzpunkte, denn - wie bereits der letzte rot-grüne Entwurf - geht das Gesetz in diesem Sektor sehr viel weniger über das aus Brüssel Geforderte hinaus. 'Hier geht es eher um Detailfragen der Ausgestaltung', so Henning Wüst, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Obrigheim.

Eine Detailänderung in dem neuen Entwurf dürfte sich auf die Arbeit von Personalern jedoch positiv auswirken. So wurde die Frist, in der eine Diskriminierung geltend gemacht werden muss, von sechs auf drei Monate reduziert. Für die Firmen folgt daraus: Sie müssen auch nur so lange Dokumente - etwa über einen Bewerbungsprozess - horten, um im Fall des Falles beweisen zu können, dass sie nicht diskriminiert haben. Das Faktum der Beweislasterleichterung (kann jemand glaubhaft darlegen, dass er zu Unrecht ungleich behandelt worden ist, so liegt die Beweislast für das Gegenteil beim Beschuldigten) wird jedenfalls auf jeden Fall bestehen bleiben. Denn schon die Richtlinien fordern solch eine Erleichterung ein. Das Verfahren widerspricht auch keineswegs hiesiger Rechtsprechung. Schon Paragraph 611, Abs. 1, Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches sieht derartiges vor. Dokumentiert werden muss also. Doch der Aufwand dürfte sich in Grenzen halten, meint Wüst. 'Man sollte die Kirche im Dorf lassen: Große Unternehmen haben normalerweise ohnehin ein Bewerbermanagementsystem, bei dem ausreichend dokumentiert wird. Und kleinere Firmen müssen nicht etwa ein aufwendiges neues digitales Dokumentationssystem anschaffen. Es reicht, wenn sie chronologisch geordnete Aktenordner anlegen', betont der Arbeitsrechtler.

Indes: Getroffen fühlen sich die Unternehmen vor allem durch einen Punkt, in dem der arbeitsrechtliche AGG-Teil über die Brüsseler Vorgaben nach wie vor hinausgeht: das Klagerecht von Betriebsräten bzw. Gewerkschaften. 'Das Klagerecht ist aber nicht so gestaltet, dass Individualrechte für den Einzelnen eingeklagt werden können. Der Betriebsrat kann lediglich vor Gericht bei groben Verstößen des Arbeitgebers eine Ordnungswidrigkeit feststellen lassen, woraufhin das Gericht dann ein Ordnungsgeld festsetzen kann, das der Landeskasse zufließt', schränkt Wüst ein. Eine weitere Neuerung im AGG-Entwurf hat dagegen bereits klammheimliches Entzücken bei den Kritikern hervorgerufen: So wird dem Arbeitgeber in dem Gesetzestext ausdrücklich empfohlen, seiner Pflicht zur Vorbeugung vor Diskriminierungen mittels Weiterbildung nachzukommen. Arbeitgeberverbände werten es allerdings als willkommene 'Fiktion', dass ein Betrieb auf diese Art und Weise seinen Vorbeugepflichten gerecht werde.
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