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Prof. Dr. Wolfgang Jäger und Prof. Dr. Stephan Böhm im Interview

'Neue Rekrutierungsmethoden sind nötig'

An der Fachhochschule Wiesbaden läuft zurzeit ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt zum Thema Mobile Recruiting. Untersucht wird, wie potenzielle Interessenten und Bewerber über mobile Endgeräte angesprochen werden können. Im Interview mit manage-HR erläutern die Projekt-Verantwortlichen Prof. Dr. Wolfgang Jäger und Prof. Dr. Stephan Böhm mögliche Anwendungsformen von Mobile Re­cruiting.

Herr Jäger, Ihre These ist, dass Mobile Recruiting in den kommenden Jahren zu den erfolgreichsten Rekrutierungswegen überhaupt zählen wird. Worin liegt das Potenzial von Mobile Recruiting?

Prof. Dr. Wolfgang Jäger: Die demografische Entwicklung wird in den nächsten Jahren insbesondere im Bereich der Auszubildenden-Rekrutierung, aber auch bei den Nachwuchskräften aus dem Hochschulbereich, zu rückgängigen Bewerberzahlen führen. Die Unternehmen müssen sich also bei der Bewerberansprache stärker auf die jungen Zielgruppen konzentrieren. Schaut man sich deren Mediennutzungs- und Kommunikationsgewohnheiten an, ist insbesondere für die Generation der Schüler festzustellen, dass ihr bevorzugtes Kommunikationsmedium das Handy ist. Mobiltelefone haben sogar eine weitaus größere Reichweite bei der jüngeren Generation als das Internet. Das heißt: Es sind neue Rekrutierungsmethoden nötig, um diese Zielgruppe über ihr Handy ansprechen zu können. Genau das ist der Ansatz von Mobile Recruiting.

Wie hat man sich das vorzustellen: Werden etwa Stellenangebote per SMS verschickt?

Jäger: Wie bei allen anderen Online-Medien auch, gibt es einen Unterschied zwischen 'push' und 'pull': Möchte man, dass die Interessenten sich Informationen auf ihr mobiles Endgerät ziehen (pull) oder will man ihnen Infos senden (push)? Der einfachere Weg ist, Informationen zu pushen. Dabei ist es nicht nur möglich, SMS-Mitteilungen mit Informationen für Bewerber zu verschicken. Mobile Media bietet eine Vielzahl weiterer Interaktionsmöglichkeiten, z.B. Mobile Web und zukünftig auch die Übermittlung von Unternehmensvideos und Podcasts auf das Handy.

Ist das denn schon alltagstauglich?

Jäger: Audiovisuelle Informationen aufs Handy zu senden, ist heute konzeptionell und technologisch kein Problem mehr. Das Problem ist vielmehr, dass man hierzu das mobile Internet nutzen muss, es aber noch zu wenig Flatrates für die mobile Internetnutzung gibt: In den derzeit gültigen Tarifstrukturen der Handyprovider – insbesondere der für das Mobile Recruiting relevanten Zielgruppe – sind Flatrates für die mobile Datenkommunikation noch nicht verbreitet. Flatrate-Tarife sind aber die Voraussetzung dafür, um die audiovisuellen Inhalte kostengünstig aufs Handy zu bringen.

Gibt es dennoch Firmen, die Mobile Re­cruiting bereits einsetzen?

Jäger: Ja, es gibt erste Pilotanwender. Die meisten wenden zurzeit die 'Pull'-Strategie an. Dabei ist vor allem das Thema 'Mobile Tagging' interessant. Hier geht es darum, dass man mit dem Barcode-Reader des Handys spezielle Barcodes von anderen Medien abfotografiert – z.B. von Plakaten, von Personalanzeigen u.Ä. –, um sich so weitere Informationen auf das Handy laden zu können.

Prof. Dr. Stephan Böhm: Ein aktuelles Beispiel, in dem Mobile Tagging Anwendung gefunden hat, ist die Kampagne von Volvo Trucks, die von der Berliner Fullservice-Agentur aperto move realisiert wurde. Die Kampagne wurde für die IAA Nutzfahrzeuge im September 2008 in Hannover initiiert. Ziel war es, auf der Messe mit Mobile Tags Ingenieure als potenzielle Bewerber anzusprechen. Hierzu wurden auffällige Plakate und Flyer mit dem Motiv eines Trucks eingesetzt, auf denen ein QR-Code abgdruckt war. Messebesucher, die über ein Kamerahandy mit Reader-Software für Mobile Tags verfügten, konnten durch das Abscannen des Codes auf ein mobiles Karriereportal von Volvo Trucks gelangen. Alternativ konnte auch eine SMS mit 'JOB' an eine angegebene Handy-Nummer gesandt werden, um so den Link zur mobilen Webseite per SMS zu erhalten.

Wie war die Resonanz auf diese Aktion? Haben das viele genutzt?

Böhm: Uns liegen leider keine Daten vor, wie viele Zugriffe es auf die verlinkte Seite der Kampagne gegeben hat. Wir haben aber die Akzeptanz für Mobile Tagging allgemein in Tests mit Schülern und Studenten getestet. Hier hat sich gezeigt, dass zunächst eine Hürde zu überwinden ist – wohl weil viele in diesen Zielgruppen die Technologie noch nicht kennen, bisher nur wenige Endgeräte über vorinstallierte Reader-Software verfügen und hohe Nutzungskosten befürchtet werden. Nachdem aber das Funktionsprinzip der Mobile Tags verstanden war, ist das Interesse an der neuen Technologie sehr groß gewesen.

Wie kann besser über Mobile Tagging informiert werden?

Jäger: Die Nutzung von Mobile Tagging wird sich ähnlich wie die von SMS oder MMS verselbständigen. Schließlich wird Mobile Tagging nicht nur für die Rekrutierung eingesetzt. Die Lufthansa z.B. wickelt das papierlose Einchecken bereits über 2D-Barcodes ab, und auch in Zeitschriften sieht man die Codes schon. Die Computerzeitung 'Chip' etwa nutzt sie bei der Verlinkung von Testberichten. Die Bekanntheit dieser Barcodes wird weiter steigen, und so auch die technologischen Grundkenntnisse der Anwendung von Mobile Tagging.

Böhm: Natürlich können Unternehmen nicht erwarten, dass sie sofort einen Riesenzulauf an Bewerbern haben werden, nur weil sie Mobile Tagging nutzen. Wichtig ist die geeignete Einbettung in eine Kampagne, die zunächst Aufmerksamkeit für die neue Rekrutierungsform erzeugt und Jugendliche neugierig auf die über das Handy ergänzend abzurufenden Inhalte macht. Mobile Tagging muss also auf intelligente Weise crossmedial verzahnt werden. Dabei wird es auch in Zukunft wichtig sein, die jungen Zielgruppen zu aktivieren – z.B. mit einer spannenden Aktion wie einer Schnitzeljagd mit Mobile Tags.

Wie lange wird es noch dauern, bis sich Mobile Recruiting etabliert hat?

Jäger: Die Verbreitung des klassischen Online-Recruitings hat fünf bis acht Jahre gedauert. Ich würde für Mobile Re­cruiting die Zeit etwa halbieren. Spätestens in fünf Jahren, so denke ich, hat das Thema eine nennenswerte Bedeutung.

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