Rainer Biesinger

„Mit Händchenhalten lässt sich nichts ändern“

Drogen, Gewalt und Alkohol prägten lange Zeit sein Leben. Heute ist Rainer Biesinger Persönlichkeitscoach. Doch er kommt nicht im Business-Dress daher, sein Markenzeichen sind sein rockiges Auftreten, seine Tattoos, seine markanten Sprüche. managerSeminare sprach mit dem derzeit wohl auffälligsten Coach der Szene. Herr Biesinger, wenn man sich in der Coach- und Rednerbranche umguckt, haben Sie ein herausstechendes Alleinstellungsmerkmal: Ihre Kleidung, Ihr Auftreten. Was bezwecken Sie damit? Warum Bandana, Tattoos und Lederkluft?

In erster Linie laufe ich so herum, weil´s mir gefällt. So fühle ich mich einfach am wohlsten. Wenn ein potenzieller Kunde zu mir käme und sagen würde: „Hören Sie, Biesinger, ich würde Sie ja gerne für meine Leute buchen … aber wären Sie einverstanden damit, im Business-Outfit zu kommen?“ würde ich herzhaft lachen und ihm sagen, dass er mich entweder so oder gar nicht bekommt. Klar bin ich auffällig – im Herzen bin ich aber wahrscheinlich normaler, klarer und spießiger als manch einer der grau in grau verkleideten Protagonisten ohne Ecken und Kanten, ohne eigene Identität, ohne Wiedererkennungswert. Und mal ehrlich: Stellen Sie sich den Heavy Metal-Coach in einem gebügelten Dreireiher vor, mit Lackschuhen und Binder? Das geht ja gar nicht.

Sie wollen offensichtlich polarisieren. Warum?

Mein Wirken versteckt sich nicht hinter einer Rolle, einem Status oder hinter einem elitären Geburtsrecht, das irgendwann einmal von irgendwem erteilt wurde. Ich bin ich – der Mensch Rainer Biesinger, der Heavy Metal Coach. Und wenn ich mit meinem „Ich-Selbst-Sein“ polarisiere, empfinde ich das schon als paradox. Polarisiert man in unserer heutigen, ach so offenen und toleranten Gesellschaft denn wirklich, wenn man seine ungeschminkte, wahre und aufrichtige Visage zeigt?

Was ist an Ihnen Heavy Metal?

Genau diese brachiale Urgewalt des handgemachten „Heavy-Metal-Sound“, der in allen Körperwindungen und Untiefen des Menschen deutlich spürbar ist: ehrlich, krass, laut, direkt, ungeschönt und nicht aus der Konserve! Wenn Sie schon einmal auf einem Heavy Metal Konzert waren, dann wissen Sie, was ich damit meine! Der Heavy-Metal-Sound lässt dich nicht einfach ruhig in der Ecke sitzen. Er ergreift Besitz von Dir…! Das ist Lebensfreude pur, da schaltest du dein Hirn aus und du spürst und erlebst dich 1:1! Erleben ist der Schlüssel zum Verstehen. Um es mit den Worten von Boris Kaiser vom „Rock Hard - Magazin“ zu sagen: „Nichts ist so hart wie das Leben – zumindest nichts außer Heavy Metal. … Das Phänomen der lauten Töne direkt aus dem Auge des Sturms: mit brennendem Herzen und wachem Verstand“.

Hilft Ihnen bzw. Ihren Kunden Ihr Auftreten?

Definitiv! Oftmals sind meine Kunden bereits an ihren persönlichen Grenzen angelangt oder schon darüber hinaus. Das letzte, was ein Mensch in persönlichen Veränderungssituationen dann noch gebrauchen kann, ist jemand, der ihm nur nach dem Mund redet. Mit Händchen halten und gut zureden lässt sich nichts ändern. Es braucht einen ehrlichen, direkten und vor allem unmissverständlichen Auftritt, der dem Kunden zeigt, dass es so nicht weitergeht. Der Mensch muss realisieren, dass es ihm nicht mehr hilft, sich hinter dem sogenannten Mainstream der Gesellschaft zu verstecken. So bringt du keine „Satisfaction“ in dein Leben! Das ist im ersten Moment vielleicht erschreckend, schafft aber sofort Klarheit, und jeder weiß, woran er ist und worum es geht. Runter mit der Maske! Die Suche nach dem eigenen „Ich“ kann beginnen. Für eine intensive Beziehungsarbeit ist ein vertrauensvolles und ehrliches, demaskiertes Miteinander unabdingbare Grundvoraussetzung. In meiner Vergangenheit habe ich schon jeder Fratze des Lebens ins Gesicht geschaut – so schnell schockt mich nichts mehr. Ich muss und will mich nicht verstellen oder verkleiden, nur um es anderen recht zu machen. Und genau das ist es was meinen Kunden imponiert. Vom Schöngerede kann sich keiner was kaufen.

In Ihren Büchern tragen Sie Ihre eigene Geschichte zur Schau und damit die Schattenseiten des Lebens. Was war Ihre dunkelste Stunde?

Der tiefere Sinn meiner Bücher und meines Wirkens ist es nicht, mich zur Schau zu stellen! Mir geht es auch nicht um irgendeine abgefuckte Form der Selbstverherrlichung. Ganz ehrlich: Den Weg, den ich hinter mir habe, würde ich nicht mal meinem schlimmsten Todfeind wünschen. Ich sehe es als meine Berufung, Menschen mit meiner Lebensgeschichte aus ihrer selbstgefälligen Passivität herauszureißen und sie dazu zu bewegen, endlich aktiv zu werden und sich mit der einzigen Person auseinander zusetzen, die sie vom ersten bis zum letzten Atemzug begleitet: mit sich selbst! Ich erzähle meine gelebte Geschichte aus meiner Erfahrungswelt. Oftmals findet sich mein Gegenüber – auf die eine oder andere Art – sehr schnell selber wieder. Ich habe die Schattenseiten des Lebens kennengelernt, durchlebt und überlebt. Ich stehe dazu, und ich stehe zu mir! Ich habe das Rad nicht neu erfunden, aber ich weiß heute, wie es sich dreht.

Wie haben Sie sich verändert? Was war Ihr Schlüsselerlebnis?

„Nicht therapierbar“ – so lautete die Diagnose, die mir die „Götter in Weiß“ gaben. Ich sah mich konfrontiert mit oberflächlichen, halt- und hirnlosen Anfeindungen und Vorurteilen – einfach nur, weil ich nicht in deren Lebenswirklichkeit passte. Diese Typen letztlich waren es, die mir mit ihrer selbstgefälligen Ignoranz den notwenigen Tritt in den Allerwertesten gaben. Ich dachte mir „Jetzt erst recht!“. Mir ist damals klar geworden, dass du dir nur selbst helfen kannst. Es wird keiner kommen und dich ans Händchen nehmen und in ein besseres Leben führen – darauf kannst du verdammt lange warten! Diese Erkenntnis tut weh. Aber es geht darum, endlich den eigenen Arsch aus der Furzmulde der Passivität hochzubekommen. Um das zu schaffen, kann kein Schmerz schlimm genug sein. Ich hatte nichts mehr zu verlieren. Ich erkannte: „Du bist der Weg, und Du bist das Ziel!“

Haben Sie andere Methoden im Gepäck als andere Coachs?

Ich verfüge über einen mächtigen Methodenkoffer und vor allem über eine prall gefüllte Schatzkiste aus einer restlos aufgearbeiteten Vergangenheit - gepaart mit einem sehr guten Einfühlungsvermögen und einem äußerst gesunden Menschenverstand. Mein Lehrer, Freund und Mentor war Dr. Björn Migge, bei dem ich mein Coachingstudium 2005 absolviert habe. Ich bin Autodidakt, lebenslanges Lernen wird bei mir groß geschrieben. Allerdings, welche Informationen sich dabei in meinem Hirn einnisten und welche nicht, darüber entscheidet nur einer, und das bin ich.

Worauf muss ein Unternehmen/Kunde gefasst sein, wenn er Sie bucht?

Ich breche die Schale der alten Muster auf, um dem Keim der eigenen persönlichen Entwicklung die Chance auf Wachstum zu ermöglichen. Ich helfe also Menschen dabei, die Schatzkiste ihres eigenen Lebens zu heben – was er oder sie dann damit anfängt, bleibt jedem selbst überlassen. Ich habe in meinem Leben gelernt, dass nur du selbst dich verändern kannst – wenn du es denn auch willst. Und genau diese Entscheidung müssen meine Kunden ebenfalls für sich selbst treffen.

Was regt Sie am meisten auf – Ihre Person betreffend? Gibt es Vorurteile?

Das Schwierigste für die Menschen um mich herum ist nicht meine Art oder mein Aussehen, sondern das, was sie durch mich über sich selbst herausfinden!

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Rainer Biesinger ist zertifizierter Business-Coach QRC und Mitglied der German Speakers Association. Nach 18 Jahren der Selbstzerstörung führt er heute Menschen zur Selbsterkenntnis. Sein Lebensmotto „harder, faster, louder“ gilt immer noch, allerdings im klassisch-konservativen Kontext. Drei Bücher hat er inzwischen publiziert, sein jüngstes trägt den Titel „The fire of change“. Kontakt: www.rainer-biesinger.de

04.03.2015
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