#OEB16

Hack mit Truck – Lernen wie am MIT

Die besten Lernerlebnisse finden nicht in Kursen statt. Das war eine Botschaft, die man Anfang Dezember auf der Online Educa in Berlin mitnehmen konnte. Doch wo und wie finden sie sonst statt? Ein Beitrag übers Lernen am MIT gab einen interessanten Einblick.

Ein Beitrag von Sascha Reimann und Nicole Bußmann

Einmal im Jahr treffen sich die Liebhaber digitalen Lernens in Berlin zur #OEB. Die Veranstaltung, die vom 30. November bis zum 2. Dezember stattfand, war auch bei ihrer 22. Ausgabe bemerkenswert. Weil sie mit über 2.000 Teilnehmern aus mehr als 90 Ländern unfassbar international ist, weil sie mit beinahe 300 Einzelbeiträgen ein gewaltiges Bildungsangebot bietet und eine massive Herausforderung an die Aufnahmefähigkeit des Besuchers stellt. Und weil sie eine mitreißende Atmosphäre hat, voller Begeisterung über das Lernen an sich und angesichts der neuen Möglichkeiten, die sich bieten, Zuversicht versprühend, dass sie genutzt werden können.

In dieser Hinsicht brillierte der Auftritt von Philipp Schmidt. „How MIT (Really) Learns“ lautete der verheißungsvolle Titel seines Vortrags, der erklärte, wie man am renommierten Massachusetts Institute of Technology lernt. Oder besser gesagt: lernen lässt. Es handelt sich dabei weder um einen festen Bestandteil des Curriculums noch um eine Form von Lernangebot, es ist mehr eine Tradition, die von den MIT-Studenten selbst kommt und daher mit Blick auf die neue Arbeitswelt interessant ist: Hacks.



Damit sind nicht die sogenannten Lifehacks gemeint, als die jeder simple Trick, jede kleine Erleichterung für den Alltag genannt wird. Schmidt meinte Hacks im traditionellen Sinn, wie sie in den 50ern am MIT aufkamen und aus den Studentenstreichen entstanden. Die ersten Hacker waren demnach die Angehörigen eines Modelleisenbahnclubs, die in den Räumen des MIT hochkomplexe Anlagen bauten. Sie bauten Dinge auseinander und setzten sie wieder anders zusammen – nur, um es auszuprobieren.

Ein Hack nach dieser Definition... ... ist ein Projekt ohne sinnvolles Ziel ... sucht unübliche und originelle Lösungen zu einem Problem ... dehnt die Grenzen von Können, Vorstellungskraft und Technik

Abgesehen vom Spaß, den die Teilnehmer dabei hatten, stellte sich schnell heraus, dass sie bei ihren Hacks auch jede Menge lernen. Von einem herausragenden Projekt berichtete Schmidt auf der OEB: Studenten hatten über Nacht einen großen roten Fire Truck auf den Dome gestellt, auf das zentrale Gebäude des MIT. Laut einer ehemaligen Studentin, die an dem Hack 2006 beteiligt war und die Schmidt nun befragt hatte, war es das beste und bedeutsamste Lernererlebnis, das ihr am MIT widerfahren war – und die Leistung, auf die sie auch nach zehn Jahren und einer steilen Karriere immer noch am stolzesten ist.

Kein Kurs, kein formales Angebot, für das Studenten teure Gebühren zahlen, hat sie beeindruckt. Sondern eine Art elaborierter Scherz, den sich die Studenten selbst ausgedacht haben. Bis heute sind die Hacks am MIT übrigens weder authorisiert noch zentral gefördert, nur geduldet, sofern sie keinen Schaden anrichten. Und sie werden von einer regelrechten Hacker-Ethik geleitet, derzufolge zum Beispiel nichts zerstört werden darf.

Den Truck auf die etwa 50 Meter hohe Kuppel zu bekommen, war also ein Spaß, der 40 Leute drei Monate lang beschäftigte. Umfangreiche Studien waren nötig, um alles zu bewerkstelligen. Die Studenten mussten sich über rechtliche Fragen klar werden, Baubestimmungen und Statik erfragen, sie mussten die Teile des Trucks anfertigen und Techniken wie Schweißen lernen, sie mussten das nötige Geld aufbringen und eine Konstruktion ersinnen, die sich über Nacht transportieren und montieren lässt und sie mussten üben. Viele Leute haben also viel gelernt – und Spaß dabei gehabt. Wie genau allerdings der Truck den Weg auf den Dome geschafft hat, wusste auch Philipp Schmidt nicht. Es bleibt das Geheimnis der Studentin und ihrer Kommilitonen.

Die Geschichte macht deutlich, wie Lernen funktioniert – und wie nicht. Auch an hoch renommiertien Institutionen wie dem MIT machen nicht die formalen Kurse und Seminare den Unterschied. Selbst langweilige Fragen wie die geltenden Gebäudesicherheitsbestimmungen konnten so Kontext und Relevanz bekommen. In Storytelling-Form illustrierte Schmidt überzeugend, warum sich die berufliche Weiterbildung derzeit so stark verändert und noch mehr verändern muss:

- Formale Lernangebote, auf die Unternehmen immer noch das meiste Budget verwenden, richten immer weniger aus, zumal sich die Welt so schnell dreht, dass das Wissen gar nicht mehr aktuell ist oder nicht mehr gebraucht wird, wenn es endlich einen Kurs dazu gibt. - Weiterbildung sollte nicht auf einen Abschluss zielen, sondern auf ein Ergebnis. Lernen wird dadurch konkret, es bekommt Kontext und Relevanz, die Lernmotivation steigt. - Lernen kann auch nicht in abgeschlossenen Räumen stattfinden, sondern in der Praxis, sprich: am Arbeitsplatz. Unternehmen müssen das ermöglichen und fördern. - Was sie sie lernen müssen, können nur die Betroffenen selbst entscheiden, weshalb in agilen Organisationen Personalentwicklung zunehmend in die Hand der Mitarbeiter gelegt wird.

Mehr zu dem Thema Personalentwicklung in der Zukunft gibt es übrigens auch in der Titelgeschichte des Januar-Hefts von managerSeminare, das am 22. Dezember erscheint.

13.12.2016
Wir setzen mit Ihrer Einwilligung Analyse-Cookies ein, um unsere Werbung auszurichten und Ihre Zufriedenheit bei der Nutzung unserer Webseite zu verbessern. Bei dem eingesetzten Dienstleister kann es auch zu einer Datenübermittlung in die USA kommen. Ihre Einwilligung bezieht sich auch auf die Erlaubnis, diese Datenübermittlungen vorzunehmen.

Wenn Sie mit dem Einsatz dieser Cookies einverstanden sind, klicken Sie bitte auf Akzeptieren. Weitere Informationen zur Datenverarbeitung und den damit verbundenen Risiken finden Sie hier.
Akzeptieren Nicht akzeptieren
nach oben Nach oben