Norman Bücher

Allein durch die Wüste Gobi und kein bisschen einsam

Seit Mitte Oktober ist er aus der Wüste Gobi zurück: der Motivationstrainer Norman Bücher. 610 Kilometer legte der Extremläufer in 14 Tagen zurück. Das Besondere daran: Er war komplett auf sich allein gestellt. Im Interview erzählt er, wie es ihm ergangen ist. Herr Bücher, Extremläufe sind Ihre Spezialität. Dieses Mal haben Sie jedoch noch einen draufgesetzt und sind ohne Team durch die Wüste Gobi gelaufen. Wie können wir uns das vorstellen: Wie haben Sie sich versorgt?

Norman Bücher: In einem umgebauten Babyjogger habe ich mein gesamtes Equipment, inklusive aller Wasser- und Essensvorräte, hinter mir hergezogen. Insgesamt gut 40 Kilo an Gepäck. Besonders die Wasserversorgung stellte eine große Herausforderung dar, da ich vorab nicht genau abschätzen konnte, inwieweit ich in der Wüste auf Wasserquellen, etwa auf Brunnen oder Nomaden, stoßen würde. Ich hatte bis zu 15 Liter an Wasser im Wagen dabei, das ich auch zum Zubereiten meiner Expeditionskost, vor allem Tütennahrung und Suppen, benötigte.

Sie sind zurück, also hat das Wasser gereicht. Sind Sie denn Nomaden begegnet? Und wie lief das ab?

Gut jeden zweiten Tag habe ich Nomaden und Hirten getroffen. Die Begegnungen waren immer eine ganz besondere Erfahrung für mich. Einem Mann mit langen, blonden Haaren, der sich zu Fuß mit einem Babyjogger durch die Wüste bewegt, haben die Menschen dort noch nicht so häufig gesehen. Dementsprechend bin ich natürlich aufgefallen. Selten zuvor habe ich auf so herzliche und gastfreundliche Menschen getroffen wie in der Mongolei. Meistens wurde ich in die Zelte der Nomaden, in die Gers, zu Kuhmilch, Keksen und Pferdefleisch eingeladen. Mit Händen und Füßen haben wir uns verständigt. Man muss nicht immer dieselbe Sprache sprechen, um miteinander zu kommunizieren. Oft lebten Familien über mehrere Generationen unter einem Dach. Meine Ausrüstung und insbesondere den Babyjogger fanden sie besonders interessant. Fast jeder wollte ihn mal anfassen und „probefahren“. Das waren für mich wunderbare Momente. Gerne hätte ich länger diese Begegnungen genossen, doch ich „musste“ ja auch ans Laufen denken.

Wie haben Sie sich überhaupt in der Wüste zurechtgefunden?

Ich hatte zum einen sehr gutes Kartenmaterial, zum zweiten war ich mit GPS Navigation unterwegs. Zuvor hatte ich mich eingehend mit möglichen Routen beschäftigt und hatte durch einen Freund gute Kontakte in die Mongolei. Dadurch erhielt ich regelmäßig wertvolle Informationen über Land und Leute und über mögliche Routen durch die Wüste.

Was für Informationen? Wie wurden die Ihnen übermittelt?

Dabei ging es um einfache und gleichzeitig ganz elementare Fragen. Welche Routen sind zu Fuß durch die Gobi überhaupt möglich? In welchen Abständen kommen Wasserquellen? Wie ist die Bodenbeschaffenheit? In welchen Gebieten leben Menschen? Wie kann ich die Versorgung während des Laufs sicherstellen? Wie sieht es mit der Tier- und Pflanzenwelt aus? Fragen über Fragen, die in unzähligen E-Mails und Telefonaten geklärt wurden. Je besser mein Informationsstand, desto besser die Planung und die Sicherheit.

Ohne Team unterwegs zu sein heißt auch ohne Gesprächspartner auskommen zu müssen. Wie sind Sie mit der Einsamkeit umgegangen? Welche Gefühle hatten Sie während des Laufs?

Ehrlich gesagt, habe ich es (meistens) genossen, alleine unterwegs zu sein. Ich empfand die Einsamkeit als Privileg. Selten zuvor habe ich die Stille so intensiv wahrgenommen wie in der Gobi. Abends im Zelt zu liegen und keinerlei Geräusche zu hören, war schon sehr beeindruckend.

Wie haben Sie sich motiviert?

Ich dachte immer an mein Ziel und stellte es mir so intensiv wie möglich vor. Mit allen Sinnen. Ein Bild meiner Tochter Marla war eine andere Motivationshilfe. Immer, wenn ich mich in einem mentalen Tief befand, nahm ich das Foto zur Hand. Dann ging es mir wieder besser.

Hand aufs Herz: Haben Sie nicht ein einziges Mal ans Aufgeben gedacht? Auch nicht, als Sie sich zwischendrin verlaufen haben?

Aufgeben war für mich keine Option. Zu keinem Zeitpunkt. Ich hatte zugegebenermaßen für einen kurzen Augenblick Zweifel. Besonders, als ich mich verlaufen habe. Doch diese Zweifel habe ich durch positive Gedanken, mein Ziel, ersetzt. Mir war klar, dass ich nach dem Verlaufen mein ursprüngliches Ziel, in 13 Etappen im Ziel anzukommen, nicht schaffen werde. Am Ende benötigte ich 14 Tage.

Welchen tieferen Sinn hat für Sie das Laufen?

Der Reiz, an seine körperlichen wie mentalen Grenzen zu gehen, ist bei mir schon sehr ausgeprägt. Das Laufen stellt dazu ein wunderbares Vehikel dar, um genau dies auszutesten. Bewegung in der Natur in Kombination mit aufregenden Reisen durch beeindruckende Landschaften ist schon ein großes Privileg. Auch den direkten, ungeschönten Umgang mit sich selbst lernt man bei solchen Expeditionen kennen.

Welchen besonderen Reiz hat es auf Sie ausgeübt, ohne Begleitfahrzeug unterwegs zu sein? Das stellt ja ein gewisses Risiko dar...

Expeditionen und Abenteuer beinhalten immer ein gewisses Risiko. Deshalb sind sie so reizvoll. Du weißt nicht, was genau passieren wird. Du kannst nicht alles bis ins kleinste Detail planen. Unvorhersehbare Ereignisse werden auftreten, die dich auf die Probe stellen. Genau das macht eine Soloexpedition, ohne Team, ohne Begleitfahrzeug, aus.

Von Ihren Läufen erzählen Sie regelmäßig in Vorträgen. Was sollen die Zuhörer von den Geschichten lernen?

Das Laufen und die Abenteuer dienen als Metapher und als Erfolgsmodell. Ich möchte niemanden zum Laufen motivieren. In meinen Vorträgen schlage ich die Brücke vom Extremsport zum (normalen) Berufs- und Alltagsleben und zeige auf, wie jeder für sich in seinem Spielfeld scheinbar Unmögliches möglich machen kann. Das müssen keine hochtrabende Dinge oder extreme Abenteuer sein. Schon in kleinen, alltäglichen Situationen gilt es häufig, über seinen Schatten zu springen und seinen inneren Schweinehund zu überwinden.

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Foto 1: Norman Bücher in seinem Zelt mit dem Babyjogger nebenan. Foto 2: Begegnungen mit Nomaden. Foto 3: Die Einsamkeit der Wüste Gobi war für Bücher ein Privileg. Foto 4: Kein Versorgungswagen, kein Fotograf: Nur Selfies waren möglich. Quelle: alle Norman Bücher **********

Norman Bücher ist Abenteurer und Extremläufer aus Leidenschaft. Mit 22 Jahren lief er seinen ersten Marathon, es sollte seine große Leidenschaft werden. Nach erfolgreichen Jahren in der Unternehmensberatung gab er im Jahr 2008 seine gesicherte Existenz auf, um sich voll und ganz dem extremen Ausdauersport zu widmen. Inzwischen hat sich Norman Bücher als Vortragsredner, Motivationsexperte und Buchautor in der Laufszene und Unternehmenswelt einen Namen gemacht.

23.10.2014
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