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'Das deutsche Bildungssystem hat viele mögliche Exportartikel'

So wie über ein gemeinsames Produkt-Gütesiegel 'Made in the European Union' diskutiert wird, gibt es auch Bemühungen um eine gemeinsame europäische Linie im Bildungsbereich. So widmet die diesjährige Learntec vom 10. bis 13. Februar 2004 in Karlsruhe dem Thema 'Lernen in Europa' besondere Aufmerksamkeit. Welche Chancen und Herausforderungen bringt die Entwicklung einer Europäischen Lernkultur für Bildungsanbieter mit sich? Training aktuell sprach darüber mit Bernhard Karrasch, Geschäftsführer der e/t/s didactic media GmbH, Halblech.

Herr Karrasch, Sie haben das Thema 'Entwicklung einer Europäischen Lernkultur' zum Kernthema des Messeauftritts von e/t/s didactic media bei der diesjährigen Learntec gewählt. Warum brauchen wir eine europäische Lernkultur?

B. Karrasch: Die Wurzeln der Lernkulturen werden immer national bleiben, aber für die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Europas ist die Herausbildung einer europäischen Identität, und damit eines gemeinschaftlichen Verständnisses von Bildung und Lernen, essenziell. Ich wünsche mir eine Lernkultur, die die unterschiedlichen Wurzeln als Stärken begreift und die jeweils besten Teile in eine europäische Lernkultur einbringt.

Und was sind die Ihrer Ansicht nach besten Teile des deutschen Bildungssystems?

B. Karrasch: Das deutsche Bildungssystem, ob Allgemeinbildung, berufliche Ausbildung oder berufliche Fort- und Weiterbildung, hat viele mögliche Exportartikel, die meiner Meinung nach aber selbst im eigenen Lande nicht hinreichend vermarktet werden. Nehmen wir z.B. das 'duale Ausbildungssystem'. Im Grundsatz steht ein genialer Gedanke dahinter: Junge Menschen werden auf dem Weg ins Berufsleben abwechselnd begleitet von Pädagogen in der Schule und von ausgebildeten Fachkräften in ihren Betrieben. Der Praxisbezug ist für den jungen Menschen sehr zielführend. Schule und Betrieb können ihre jeweiligen Stärken gut in einen gemeinschaftlichen Ausbildungsprozess einbringen: die Schule den fachtheoretischen Teil, die Betriebe die praktische Erfahrung. Um diesen Kernpunkt beruflicher Ausbildung haben uns in der Vergangenheit zahlreiche Länder beneidet, viele haben Ansätze davon übernommen. Die Integration von Theorie und Praxis in der Ausbildung wäre ein sinnvoller deutscher Beitrag für eine europäische Lernkultur. Neue Impulse kann dieser Ausbildungsprozess durch moderne Technologien bekommen. 'Virtuelle Lernortkooperationen' ermöglichen den Lernenden, auch dort Erfahrungen zu sammeln, wo der Betrieb keine anbieten kann.

Was erwarten Sie von der Bildungspolitik, damit eine europäische Lernkultur entstehen kann?

B. Karrasch: Wichtig sind Fortsetzung und Ausbau bereits bestehender projektgebundener Zusammenarbeit von Partnern unterschiedlicher Länder. Für wesentlicher halte ich aber zwei weitere Punkte: eine rege Diskussion über Vor- und Nachteile der nationalen Bildungsverfassungen und eine Annäherung der Bildungssysteme, frei nach dem Motto 'Von den Besten lernen heißt siegen lernen'.
Welche Vorteile könnten deutsche Bildungsanbieter aus einer Europäisierung der Lernmärkte ziehen?

B. Karrasch: Bildungsanbieter können sich neue Zielgruppenmärkte in neuen Zielregionen erschließen, sei es durch Teilnehmergewinnung via e-Learning außerhalb nationaler Grenzen, durch den Export eigener Angebotsmodule an Joint-Venture-Partner im Ausland oder durch die Anreicherung der nationalen Angebote durch Übernahme von ausländischen Bildungsprodukten. Dieses Ziel können die Anbieter aber nur erreichen, wenn sie lernen, auf die nationalen Besonderheiten einzugehen. Aus unserer Perspektive ist die Modularisierung ein wesentliches Element, um regionale Differenzierungen berücksichtigen zu können. Für Bildungsanbieter ist das eine ungeheure Herausforderung. Denn bisher wird meist nur mit einem feststehenden Angebotssortiment regional oder nur zielgruppenorientiert hantiert. Etwas Bewegung würde dem oft zu festgefahrenen Bildungsmarkt wirklich gut tun.
Autor(en): (aen)
Quelle: Training aktuell 02/04, Februar 2004
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