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Demografiemanagement in deutschen Unternehmen

Gefährlich untätig

Problem erkannt, nicht gebannt – So war im Jahr 2008 ein managerSeminare-Artikel über den demografischen Wandel und die vielfach noch unzureichenden Reaktionen der Unternehmen darauf übertitelt. Sieben Jahre später hat sich nicht viel geändert. Das ist zumindest aus einer aktuellen Studie des Forums Baden-Württemberg im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), des Demografie Netzwerks (ddn) und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Lörrach zu schließen. An der Online-Befragung haben sich 1.499 Unternehmen beteiligt. 46 Prozent davon gaben zu Protokoll, schon heute einen deutlichen Mangel an Fachkräften zu spüren. 29 Prozent registrieren Engpässe bei der Besetzung von Führungsposten. Etwa einem Viertel fällt es schwer, Auszubildende zu rekrutieren. Und rund 60 Prozent der Firmen führen dies zumindest teilweise auf den demografischen Wandel zurück. Hinzu kommt, dass in jedem dritten Betrieb 20 Prozent der Mitarbeiter über 55 Jahre alt sind, in fast jedem zehnten sogar 40 Prozent.

Dennoch gehen die meisten Firmen halbherzig an die Herausforderung demografischer Wandel heran. So stellen sie fast nie ein Budget eigens für demografieorientierte personalpolitische Maßnahmen bereit. Nur knapp 18 Prozent der Betriebe planen ihren Personalbedarf fünf oder mehr Jahre im Voraus. In rund 60 Prozent der Firmen ist eine strategische Personalplanung nicht oder kaum vorhanden. Talentmanagement ist in nur rund 11 Prozent der Unternehmen ein Thema, das konsequent verfolgt wird. Eine Nachfolgeplanung in relevantem Umfang trifft man nur in etwa 30 Prozent der Firmen an. Ähnlich wenige Unternehmen verfügen über ein langfristiges Bindungskonzept. Lebensphasenorientiertes Personalmanagement spielt lediglich in rund 28 Prozent der Unternehmen eine Rolle. Ebenso hapert es an präventiven Gesundheitsmaßnahmen. Und von einem regelmäßigen Demografie-Controlling sind 93 Prozent der Unternehmen noch weit entfernt. Lediglich um die Weiterbildung Älterer steht es etwas besser: Immerhin 53 Prozent der Firmen bilden auch Mitarbeiter der Altersgruppe 55 plus regelmäßig fort. Personalentwicklung – und Wissensmanagement – sind auch die Felder, in denen kleine Firmen unter 50 Mitarbeitern im Schnitt besser aufgestellt sind als die Großen. In allen anderen Bereichen ist es umgekehrt.

Wie kommt es, dass Unternehmen in puncto Demografiemanagement immer noch nicht hinreichend aktiv werden? Diese Frage stand im Zentrum der Pressekonferenz, in deren Rahmen die Studie im Juni 2015 publik gemacht worden war. Laut ddn-Vorstandsmitglied Uta Sánchez-Mayoral ist der Leidensdruck womöglich noch nicht groß genug: 'Die große Welle der Verrentung hat noch nicht eingesetzt, die Babyboomer stehen noch voll im Erwerbsleben. Zudem gibt es in Deutschland viele loyale Mitarbeiter, die lange im Unternehmen bleiben. Wer über 40 ist, kündigt nicht so schnell.' Daher könnten sich viele Unternehmen, so Sánchez-Mayoral, momentan noch „durchwursteln“, etwa mit Aktivitäten im Bereich Rekrutierung. Doch die Sicherheit sei trügerisch: 'In einigen Jahren wird die Lage anders aussehen. Daher ist es wichtig, sichtbar zu machen, wie es um die Alterstruktur in der Belegschaft bestellt ist und sich klarzumachen, wo man in einigen Jahren steht, wenn man heute nichts tut.' Dass Rettung in Form der derzeit stark angezogenen Zuwanderung oder der Digitalisierung naht, ist nach Ansicht von Uwe Schirmer, dem wissenschaftlicher Leiter der Studie, nicht zu hoffen: 'Erfahrungsgemäß schwächen sich Zuwanderungswellen wieder ab', so Schirmer. 'Und auch Rationalisierungs- und Produktivitätszuwächse werden die Folgen des demografischen Wandels nur bis zu gewissem Grad auffangen können. Ausreichen wird das nicht.'

Sein Rat: Unternehmen müssten in Zukunft noch besser und betriebsindividueller über die Implikationen des demografischen Wandels beraten werden. Es müssen spezifische Instrumente für die in vielen Bereichen hinterherhinkenden kleinen und mittleren Betriebe entwickelt werden. Ebenso gilt es, praktikable Vorgehensweisen zur Einführung eines Demografiemanagements zu entwerfen sowie belastbare Controlling Tools zu entwickeln, mit denen sich der Erfolg von Maßnahmen nachweisen lässt. Den Unternehmen rät Schirmer zudem, sich mit anderen zu Kooperationen zusammenzuschließen, um die Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Viele Firmen müssen jedoch auch an ihrer Haltung arbeiten, wollen sie in Zukunft in Sachen Fachpersonal nicht auf dem Trockenen sitzen: Der Suchradar vieler ist bislang viel zu eng, die Anforderungen so speziell, dass viele potenzielle Bewerber durchs Raster fallen. Nach wie vor sind auch Vorurteile für diese Siebeffekte verantwortlich, etwa in Bezug auf Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. 'Der ausländisch klingende Name kann immer noch ein Hinderungsgrund sein', so Gerhard Wiesler, Mitglied BDU-Forum Baden-Württemberg sowie Vorstandsmitglied Demografie Exzellenz e.V. Das gelte vor allem für kleinere Unternehmen in der Provinz: 'Je enger die Täler, je ländlicher und abgeschiedener, umso weniger offen.“ Doch Wiesler ist sicher: „Auch das wird sich ändern, wenn der Druck zunimmt.'
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