Premiere des Films AUGENHÖHEwege in Berlin

Dialog auf dem roten Teppich

Wie arbeiten Menschen in Unternehmen partizipatorisch, hierarchiefrei, auf Augenhöhe? Der Film Augenhöhe gab 2015 erste Einblicke ins Zeitalter des New Work. Sein Nachfolgefilm Augenhöhewege will jetzt Schritte zur Umsetzung zeigen. Am 4. März lief in zehn Städten die Filmpremiere. managerSeminare war am Standort Berlin mit dabei.

Gastbeitrag von Svenja Gloger

„Zehn, neun, acht, sieben, sechs … “ Der Countdown läuft. Matthias Meifert zählt rückwärts. Mit seinem Beratungsunternehmen HRpepper hat er ins Großkino Cinestar nach Berlin eingeladen. 160 Leute sind gekommen. Gebannt richten sie ihre Augen auf die noch leere Leinwand. Denn gleich wird er zu sehen sein: Der Film Augenhöhewege.

„Fünf, vier, drei, zwei, eins, … null!“ Orangefarbene doppelte Pünktchen erscheinen nach und nach auf der Leinwand – abstrakte Augenpaare, die für das demokratische Arbeiten von „gleich zu gleich“ stehen. Dann zoomt die Kamera ins erste Unternehmen: Unilever Deutschland. Wie bitte? Selbstbestimmung und hierarchieübergreifendes Arbeiten im Riesenkonzern? Ja!

„Das bedeutet natürlich Kontrollverlust“, sagt Ulli Gritzuhn im Film. „Zuerst ist es schwer, den Mitarbeitern mehr Verantwortung zu übertragen und damit Kontrolle abzugeben.“ Doch sofort schiebt der Unilever European Vice President nach: Es lohnt sich. „Mitarbeiter können eine Entscheidung x Mal nach oben delegieren. Dann kommt die Entscheidung mit Sicherheit zu spät – besser wird sie dadurch vermutlich nicht.“ Natürlich könne er als Chef Dinge abnicken, etwa eine Marketingmaßnahme freigeben. „Ich sollte es aber nicht tun“, sagt er. Der Grund: Unilever will seine Mitarbeiter dazu bringen, selber für ihre Arbeit zu bürgen.

Im Filmstück über Unilever kommen trotz dem Fokus auf den Mitarbeitern fast ausschließlich Führungskräfte zu Wort. New Work vollzieht sich im Konzern langsam und in Teilen – das ist wohl der Grund. Oder wie Gritzuhn in der Doku sagt: „Wir versuchen, ganz viel im Rahmen des bestehenden Systems zu bewirken.“

Dieses Vorgehen ist ein Weg – ein Weg von vielen. Die Dokumentation Augenhöhewege wird insofern ihrem Namen gerecht. Der Film offenbart: Es gibt nicht den einen, einzigen Weg, um ein Unternehmen demokratischer zu gestalten, es agiler zu machen und Mitarbeitern mehr Verantwortung zu geben. Es gibt viele Wege. Und jedes der gezeigten Unternehmen geht einen anderen.

Kommentiert werden die Wege jedoch nicht. Der Film verzichtet wie schon sein Vorgängerfilm Augenhöhe auf Einordnungen und Bewertungen. Es gibt keine Stimme aus dem Off. Nur ineinander geschnittene Monologe, Dialoge, Bilder und Szenen. Ein Patchwork an Eindrücken. Nicht einmal die Unternehmen werden vorgestellt. Wie viele Mitarbeiter die Organisationen haben, was sie produzieren oder als Dienstleistung anbieten – Fehlanzeige.

Viele Firmen, die über die Leinwand flimmern, sind New-Work-Kennern ohnehin ein Begriff: Haufe-umantis zum Beispiel, wo sich die Chefs ihren Mitarbeitern zur Wahl stellen. Oder elbdudler, wo Gehälter transparent gemacht werden. Andere sind neu. Tele Haase etwa. „Ich arbeite am Unternehmen und immer weniger im Unternehmen“, sagt Firmeninhaber Christoph Haase. In seiner Firma wurden Hierarchien abgeschafft. Als dann durch eine Anordnung mehrere HR-Manager installiert werden sollten, funktionierte das nicht. Die Mitarbeiter haben die HR-Funktion anschließend eigeninitiativ selbst unter sich verteilt.

Trial and Error als Weg zur Augenhöhe: „Man macht etwas, es klappt nicht, man macht es anders, es klappt wieder nicht. Und daraus ergibt sich schließlich die Lösung“, sagt Christoph Haase. Bei elbdudler dasselbe in grün: ein Ausprobieren. „Es ist nicht alles toll, was wir machen, es ist ein ständiger Prozess“, heißt es im Film.

Der Film – das ist übrigens eine Exklusivshow. In neun weiteren Städten von Hamburg bis Wien wird der Premierenfilm zeitgleich vorgeführt. Von 1.000 Leuten wird er parallel gesehen – in unterschiedlichen Filmfassungen. Jeder Film zeigt eine eigene Auswahl an Firmen. (Die Filmversionen sind nach Farben benannt. Die Fassungen orange und weiß stehen bereits im Netz). Und jede Premiere hat einen eigenen Rahmen.

Der Berliner Rahmen: imposant, elegant, prickelnd. Party-Atmosphäre. Allein schon der rote Teppich, der auf das Foyer vor dem Kinosaal zuführt. Eine Ecke für Foto-Shootings – als wäre jeder Gast ein Promi. Eine riesige Bar. Popcorn und Cola, später Fingerfood und Sekt. Die Stimmung: locker, fröhlich, aufgekratzt. Leute im lässigen Schick, im Alter zwischen Ende 20 und Anfang 50 als Publikum.

An eigens aufgestellten Thementischen wird in Grüppchen ungezwungen weiter über den Film nachgedacht, werden Fragen aus dem Film aufgegriffen und weitergesponnen.

Welchen Wert hat eine Führungskraft, wenn sie nicht mehr im herkömmlichen Sinne führt – wenn sie coacht, statt Anweisungen gibt? Was macht die Änderung der Rolle vom Ansager zum Mentor mit dem eigenen Selbstbild? Wie bringt man Mitarbeiter dazu, wirklich Verantwortung zu übernehmen? Wie funktioniert der Prozess, den Hermann Arnold, Ex-CEO von Haufe-umantis, im Film mit den Worten beschreibt: „Veränderung vollzieht sich künftig nicht in breit angelegten Roll-outs, sondern in Roll-ins.“? Reicht es aus, wenn irgendein Team im Unternehmen beginnt, New-Work-Ideen umzusetzen? Werden die Ideen dann an anderer Stelle übernommen und breiten sich aus? Ohne Absegnung „von oben“? Viele Fragen, wenig konkrete Antworten, rauchende Köpfe, Diskussion.

Genau das aber ist es, was das Projekt Augenhöhewege bezwecken will, gibt Nadine Nobile zu verstehen. Sie zählt zum erweiterten Kernteam von „Augenhöhe“, dem Berater-Gespann, das die Filme Augenhöhe und Augenhöhewege initiiert hat. „Augenhöhe wollte Sehnsucht nach einer neuen Arbeitswelt wecken und den Dialog anstoßen“, sagt sie. „Augenhöhewege will Möglichkeiten der Umsetzung zeigen und den Dialog vertiefen.“ Nobile freut sich: „Was gibt es besseres, als nun 1.000 Multiplikatoren zu haben, die darüber nachdenken: Was ist der nächste Schritt?“ Anregungen dazu gibt der Film reichlich. Konkrete Anleitungen jedoch nicht.

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Übrigens: Auf den Petersberger Trainertagen vom 15. bis 16. April 2016 in Königswinter bei Bonn gibt es eine weitere Gelegenheit, sich über New Work Gedanken zu machen. Dort gibt es vor der Abendveranstaltung die Möglichkeit, einen speziellen short cut des Films Augenhöhewege zu sehen und hernach zu diskutieren. ******

Fotos 1 und 2: Svenja Gloger, Foto 3: Alexander Krause/HRpepper

10.03.2016
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