Personaler glauben viel und wissen wenig

Big Data - Kaum ein anderes Buzzword sorgt in der Personalerszene derzeit für mehr Aufregung. Die Unternehmensberatung Kienbaum setzte der allgemeinen Erregung Mitte Januar 2016 eine ernüchternde Tagung entgegen. Die Botschaft: Die HR-Zunft sollte, bevor sie an Big Data denkt, zunächst ihre Hausaufgaben machen, was den Umgang mit Daten angeht. Denn bislang hängen Personaler lieber Glaubenssätzen an, als Evidenzen zu ermitteln.

Gastbeitrag von Sylvia Jumpertz

Rund 30 Kienbaum-Kunden – vorwiegend Personalverantwortliche aus Unternehmen wie Audi, Porsche, BASF und e.on – sind der Einladung nach Düsseldorf, zum Human Capital Analytics Forum gefolgt. Sie erhoffen sich Einblicke in die jüngsten Entwicklungen der Eignungsdiagnostik, darunter insbesondere Big Data und Predictive Analytics – also Verfahren, die versprechen, aus Datenmustern Vorhersagen über die zukünftige Performance von Mitarbeitern machen zu können.

„Das Personalmanagement ist diesbezüglich noch in einer Suchbewegung“, drückt Kienbaum-Geschäftsführer Hans Ochmann es aus. Man könnte auch sagen: Die Zunft ist hoch erregt, aber schlecht informiert. „Die Ironie ist, dass zwar überall über Big Data als das nächste große Ding im HR-Management debattiert wird. Stellt man jedoch Personalern die Frage, was damit gemeint ist, stößt man meist auf ein großes schwarzes Loch“, konstatiert Ochmann.

Das größte Problem aus Sicht der Kienbaum-Berater: Bei der ganzen Aufregung, mit der die Zunft gerade dem Thema Big Data hinterher hechelt, gerät eine Sache aus dem Blick: Bisher ist das HR-Fachpersonal nicht gerade dadurch aufgefallen, datengetrieben, das heißt faktenbasiert und evidenzorientiert zu arbeiten.

Als Kronzeugen für diese unschmeichelhafte Diagnose haben die Consultants Torsten Biemann, den Inhaber des Lehrstuhls für ABWL, Personalmanagement und Führung an der Universität Mannheim als Gastredner zum Forum geladen. Das Kalkül: Biemann soll die von Big Data und Co. angefixten Personaler auf den Boden der HR-Realität zurückholen.

Das gelingt – und tut ziemlich weh. Denn der Professor lässt effektvoll eine Reihe kleiner Bomben hochgehen: „Geschlechtergemischte Teams zeigen bessere Leistungen als homogene Teams“? Stimmt laut aktueller Forschung nicht. Meinen aber die meisten Personaler. „Arbeitnehmer der Generation Y haben grundlegend andere Einstellungen und Wertvorstellungen?“. Stimmt ebenfalls nicht, hindert aber die HR-Szene nicht daran, es rauf und runter zu beten. „Die Verweildauer von Mitarbeitern im Unternehmen hat sich in den vergangenen fünfzehn Jahren kaum verändert?“ Ist völlig korrekt. Sehen die Personaler aber ganz anders. „Im Schnitt sind Intelligenztests sehr gut geeignet, um beruflichen Erfolg vorherzusagen“? Laut Wissenschaft ebenfalls absolut richtig. Aber kein Personaler ahnt es – oder will es wahrhaben.

Zumindest nicht die Personalverantwortlichen, denen Biemann im vergangenen Jahr in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) diese und ähnliche Statements im Rahmen eines Experiments vorgelegt hat: Die HR-Profis sollten tippen, welche Aussagen richtig und welche falsch sind. Meist waren sie sich beeindruckend einig – in ihrer Fehleinschätzung. Auch in Düsseldorf staunt man nicht schlecht, hakt verunsichert beim Referenten nach.

Was aber bedeutet es, wenn Personaler lieber dem Common Sense folgen, als einen Blick dorthin zu wagen, wo der – reflektierte – Umgang mit Datenanalysen Gang und Gäbe ist: in die wissenschaftliche Forschung? Was bedeutet es, dass ihnen auch weitere mögliche Schritte evidenzbasierten Arbeitens sehr fern liegen?

Die meisten HR-Profis bleiben zum Beispiel weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, wenn es darum geht, anhand von Daten, die bereits im Unternehmen vorliegen, zu prüfen, ob die eigenen HR-Instrumente taugen: Ist das eingesetzte eignungsdiagnostische Tool wirklich treffsicher in der Vorhersage des späteren beruflichen Erfolges oder nicht? Der Antwort ein Stück weit näher kommen könnten die HR-Profis, wenn sie ihre in der Eignungsdiagnostik erhobenen Daten mit Daten aus anderen beruflichen Kontexten (etwa Leistungsbeurteilungen) korrelierten. Tun sie aber nicht. Und das bedeutet: Personaler glauben viel und wissen wenig. Lässt das auf einen reflektierten, kritischen Umgang mit Big Data hoffen? Man darf wohl skeptisch sein.

22.01.2016
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